Das Trainingslager-Tagebuch hat inzwischen Tradition beim Halleschen FC. Diesmal erwischte es einen Neuzugang. Er wird täglich seine ganz persönlichen Eindrücke schildern. Anonym, wie gewohnt. Der Schreiber erhebt natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Auch nicht am Montag …

Wo bin ich hier nur gelandet? Man könnte meinen, das ist eher ein Chor als eine Fußballmannschaft. Jedenfalls geht es ganztags ziemlich musikalisch zu. Aus irgendeinem Zimmer dröhnt „Allez le blue“ in Dauerschleife. Und woanders auf dem Flur rührt dieses Liverpooler Fanlied fast zu Tränen. Noch schlimmer allerdings: Nach dem Abendessen haben zwei Spieler gesungen. Vor dem gesamten Team. Auf dem Stuhl. Scheint so üblich zu sein beim HFC. Die Neuzugänge singen zum Einstand. Voran gingen mit Patrick Göbel und Jonas Nietfeld zwei gestandene Profis, die das offenbar nicht zum ersten Mal gemacht haben. Da ich fürchte, in den nächsten Tagen auch dran zu sein, werde ich wohl in einer Nachtschicht irgendeinen albernen Gassenhauer auswendig lernen. Vielleicht die Hymne „Wir sind alle ein Stück VfL Osnabrück“, aber vermutlich kommt das nicht so gut. Jedenfalls freu ich mich wie Bolle, mich endlich mal ordentlich zur Feile machen zu können. Während Fußballer ja sonst im Wettstreit der Obercoolen relativ weit vorn angesiedelt sind, darf man  beim Halleschen FC offenbar nicht ganz so eitel sein. Sonst hat man verloren. Und wer will das schon?

Apropos verlieren: Hätte ich heute Morgen beinahe. Vermutlich auf absehbare Zeit. Denn als wir uns in der 10 Uhr-Einheit zunächst ziemlich schleppten, griff der Trainer gleich lautstark ein. „Bringt mal Leben in Eure Körper. Oder bleibt im Hotel!“ gab er weithin vernehmbar als Hinweis zu Protokoll. Kurz befasste ich mich ernsthaft mit dieser Option. Allerdings wirklich nur sehr kurz, denn die Chancen auf Weiterbeschäftigung würden wohl gen Null tendieren, wenn jemand tatsächlich Variante B gewählt hätte. Zumindest strafften sich dann alle. Was zwingend notwendig war angesichts des Monsterprogramms am Montag. Nicht nur die Hitze oder die Länge der Einheiten saugen Körner aus dem Leib, vor allem die Intensität ist brutal. Die reinste Tempohatz in jeder Spielform, Zweikämpfe im Sekundentakt und alles immer mit vollster Konzentration, weil man sonst überhaupt nicht hinterher kommt. Gedanklich und körperlich. Aber mir scheint: Das bringt richtig was. Und genau dafür sind wir ja hier.

Übrigens muss ich wohl noch einiges lernen. Von den Etablierten. Zum Beispiel, dass man sich auch im Hotel der Sportschule einen Kühlschrank für das eigene Zimmer besorgen kann. Siehe Mathias Fetsch. Ob er dort sein lädiertes Knie über Nacht reinlegt oder Bier kaltstellt, entzieht sich meiner Kenntnis. Aber ich habe ihn gesehen. Mit dem Mini-Gerät auf dem Kuddelwagen in Richtung Zimmer. Ich staune, dass der mit allen Wassern gewaschene Stürmer nicht auch im Mannschaftsrat ist. Aber da sitzen eben andere drin. Auch alles Leitwölfe. Die Hierarchie funktioniert. Kann nur gut sein für unsere durchaus ambitionierten Ziele. Gute Nacht und bis morgen.

Euer Tagebüchler