rpt

Solch ein Andrang herrscht im Prisma-Kino in Halle-Neustadt höchstens noch bei einem Blockbuster aus Hollywood: Als die Thalia Buchhandlung jüngst zu einer Lesung der Biografie von Norbert Nachtweih einlädt, füllen mehr als 100 Besucher den Kinosaal 6. Darunter befinden sich auch zahlreiche Anhänger des Halleschen FC, der tags darauf in der Regionalliga die Elf von Viktoria Berlin mit 3:0 bezwingt. Sie alle sind gekommen, um den ehemaligen HFC-Spieler und späteren Bundesliga-Profi live zu erleben. Und sie werden nicht enttäuscht. Unterhaltsam plaudert der heute 67-jährige gebürtige Sangerhäuser mit Mathias Liebing, dem Autor des Buches, über sein schillerndes Leben und seine Karriere als Fußballer in beiden deutschen Staaten. Und als Norbert Nachtweih nach fast zwei Stunden auch den letzten Autogramm-Wunsch erfüllt hat, bekommt er von einem Fan der Rot-Weißen zur Erinnerung an diesen Tag noch einen HFC-Fanschal als Geschenk überreicht. „Oh das ist toll, den werde ich wohl von nun an immer umbinden, wenn ich mein Buch vorstelle“, versprach das einstige Fußball-Talent der BSG Traktor Polleben, der 1971 mit 14 Jahren von MK Eisleben zum HFC Chemie kam und der bis heute das Schicksal seines Ausbildungsvereins aus der Saalestadt aufmerksam verfolgt. Über den HFC, für den er von 1974 bis 1976 insgesamt 35 Begegnungen absolvierte und zwei Tore schoss, hat er nach seiner Flucht nie ein schlechtes Wort verloren. „Warum auch, dort habe ich das Rüstzeug für meine Laufbahn als Bundesliga-Profi erhalten“, so Nachtweih.

In Halle reifte der 1,74 Meter große Blondschopf zum DDR-Oberligaspieler, der zusammen mit dem Torwart Jürgen Pahl und seinem Freund Burkhard Pingel auch den Sprung in die Nachwuchsauswahl der DDR schaffte. Gemeinsam mit Pahl setzte er sich am 16. November 1976 nach einem Spiel der U 21- Auswahl in der Türkei in den Westen ab, weil sie Profifußballer werden wollten. Der schussgewaltige Rechtsbeiner bestritt in seiner Profikarriere insgesamt 325 Bundesligaspiele und erzielte dabei 46 Tore. Er gewann mit Eintracht Frankfurt und Bayern München in den 1980er Jahren einen Europapokal, vier Meisterschaften, dreimal den DFB-Pokal und zweimal den Supercup. Norbert Nachtweih ist damit der erfolgreichste Bundesliga-Fußballer aus der DDR. Schon knapp drei Monate vor seinem Stelldichein im Kino Prisma hatte er bei einer Veranstaltung des HFC in Halle sein Buch mit dem Titel „Zwischen zwei Welten – Meine deutsch-deutsche Fußballgeschichte“ vorgestellt. Dabei kam es auch zu einem Wiedersehen mit seinen ehemaligen HFC-Trainern Dirk Overbeck und Helmut Wilk sowie mit seinen früheren Mitspielern Holger Krostitz und Burkhard Pingel, der seinen alten Fußball-Kumpel zur Buchpräsentation im Kino begleitet hat.

Nach einem gescheiterten Versuch, sich als Schuhverkäufer in Mannheim selbstständig zu machen, verdient Norbert Nachtweih – immer noch so rank und schlank wie ehedem – seit nunmehr 20 Jahren seine Brötchen als Übungsleiter in der Fußballschule von Eintracht Frankfurt. Er machte auch im Prisma keinen Hehl daraus, dass in seinem Leben nicht immer alles nach Plan lief. Leider klappte es auch diesmal aus Termingründen nicht mit einem Besuch beim Spiel des HFC gegen Viktoria Berlin. „Aber irgendwann werde ich es bestimmt schaffen, mir das neue Stadion mal anschauen“, versicherte Norbert Nachtweih, bevor er mit Burkhard Pingel in die hallesche Nacht entschwand.

Die Biografie von Norbert Nachtweih mit dem Titel „Zwischen zwei Welten – Meine deutsch-deutsche Fußballgeschichte“ vom Verlag Edel Sports ist im Buchhandel unter der ISBN-Nummer 9783985880911 erhältlich. Das Buch hat 284 Seiten und kostet 22 Euro.