Das wird kein Fußball-Spiel wie jedes andere: Wenn der HFC am Samstag um 14 Uhr im vermutlich vollbesetzten LEUNA-CHEMIE-STADION den 1. FC Lok Leipzig empfängt, dann kommt es nicht nur zum Spitzenspiel der Regionalliga Nordost. Die mit Spannung erwartete Begegnung des Tabellenführers aus der Messestadt gegen die Verfolger aus der Stadt der Salzwirker-Brüderschaft, deren Mitglieder sich Halloren nennen, ist zugleich ein echter Klassiker des ostdeutschen Fußballs. Allein in der DDR-Oberliga haben der HFC Chemie und „die Loksche“ seit der Klubgründung der Rot-Weißen am 26. Januar 1966 schon 42 Mal die Klingen gekreuzt. Das Hinspiel endete für die Gastgeber mit einem 1:1-Remis, nachdem der HFC lange mit 1:0 in Führung lag. Diesmal will die Truppe von Trainer Mark Zimmermann schnell für klare Fronten sorgen und mit einem Heimsieg den Abstand zum Spitzenreiter auf drei Punkte verkürzen. Übrigens stehen sich beide Vereine in dieser Saison erstmals in der Regionalliga gegenüber. Im bis dato letzten Heimspiel gegen die Leipziger, die da als VfB aufliefen, gewann der HFC am 9. Mai 2003 mit 1:0. Damals trafen beide Vereine in der NOFV-Oberliga aufeinander.
Die Duelle zwischen beiden Vereinen sind oft mit besonderen Ereignissen verbunden. Gleich im ersten Spiel nach der Gründung des Halleschen Klubs trafen beide Mannschaften in Leipzig aufeinander. Die Begegnung in der DDR-Oberliga am 13. Februar 1966 im Bruno-Plache-Stadion ging auf schneebedecktem Boden mit einem 2:0 für die Gastgeber zu Ende. HFC-Idol Klaus „Banne“ Urbanczyk stand damals erstmals nach seiner schweren Knieverletzung, die er sich bei Olympia 1964 in Tokio zugezogen hatte, wieder auf dem Platz. Zweimal mussten die Rot-Weißen sogar eine schmerzliche 0:8-Schlappe gegen den fünffachen DDR-Pokalsieger hinnehmen. Aber auch die Hallenser verbuchten gegen die Blau-Gelben denkwürdige Siege, so wie beim 4:2-Erfolg vom 10. Mai 1968, als dem HFC-Stürmer Klaus-Dieter Boelssen drei Tore gelangen. Vor mehr als 25 000 Zuschauern im Kurt-Wabbel-Stadion machte Halles Fußball-Legende Werner Lehrmann an jenem Tag zugleich sein letztes Spiel für den HFC. Der Mittelstürmer, der am 11. Februar 1999 verstarb, ist bis heute mit seinen 95 Treffern der erfolgreichste Torschütze unseres Vereins.
Da konnte selbst Frank Pastor nicht mithalten, der immerhin 79 Tore für den HFC vor und nach dem Mauerfall erzielte. Dafür hat der schnelle und kopfballstarke Mittelstürmer am 23. Mai 1979 beim 2:0-Erfolg gegen Lok Leipzig den 1 000. Treffer in der Geschichte des HFC markiert. Unter besonderen Vorzeichen stand auch die Begegnung vom 11. April 2018, als Lok Leipzig dem finanziell angeschlagenen HFC mit einem Benefizspiel unter die Arme griff. Über 8 000 Zuschauer verfolgten im halleschen Stadion die Partie, die der Drittligist mit 4:2 gewann. Ein Ergebnis, das zur Nebensache geriet, weil zugleich in der Fankurve ein ungewöhnliches Jubiläum gefeiert wurde. 30 Jahre zuvor war eine Fanfreundschaft zwischen beiden Vereinen begründet worden. Der Schulterschluss kam in der Saison 1997/98 zustande, als Hunderte HFC-Anhänger ins Bruno-Plache-Stadion pilgerten, um den VfB Leipzig beim entscheidenden Saisonspiel um den Klassenerhalt in der zweiten Liga zu unterstützen. Davon hing auch das Schicksal der Rot-Weißen in der Amateur-Oberliga ab. Doch der erhoffte Sieg der Leipziger gegen Wattenscheid blieb aus. Die Probstheidaer mussten wie auch Jena und Zwickau als dritter Ostverein die zweithöchste Spielklasse verlassen. Und infolgedessen gerieten auch die Hallenser als Viertletzter der NOFV-Oberliga noch in den Abstiegsstrudel und mussten wieder den Weg in die Verbandsliga antreten.
Seither sind die beiden Fanlager zu einer verschworenen Gemeinschaft geworden. Insofern war es für die Verantwortlichen in Halle und Leipzig kein Problem, dass ihre Mannschaften vor Beginn der Saison 2024/25 ein Vorbereitungsspiel am 20. Juli bestritten haben, obwohl sie nach dem Abstieg des HFC aus der dritten Liga danach in der Regionalliga wieder im Kampf um Punkte aufeinander treffen sollten. Halles Neuzugang Max Kulke erzielte in der 35. Minute mit einem sehenswerten Freistoß das Tor des Tages. Keiner hat an jenem Freitagabend im LEUNA-CHEMIE-STADION geahnt, dass es nun sieben Monate später zwischen beiden Vereinen zum Spitzenspiel kommt.