Es waren Sekunden, die über das Schicksal der drei HFC-Talente Norbert Nachtweih, Jürgen Pahl und Burkhard Pingel entschieden. Als am 16. November 1976 in Istanbul ein Taxi anhielt, um die drei Spieler der DDR-Nachwuchsauswahl in die bundesdeutsche Botschaft zu bringen, stiegen nur zwei von ihnen ein. Pingel zögerte und kehrte zur DDR-Mannschaft, die sich zuvor in Bursa bei einem Spiel der EM-Qualifikation der U 21 von der Türkei mit 1:1 getrennt hatte, zurück. Den anderen beiden gelang die Flucht in den Westen, wo sie sich ihren Traum, Profifußballer zu werden, erfüllten. Norbert Nachtweih wurde allein mit Bayern München in den 1980er Jahren viermal Deutscher Meister, zweimal DFB-Pokalsieger und zweifacher Supercup-Gewinner. Zuvor hatte der 1,73 Meter große Blondschopf mit Eintracht Frankfurt auch noch den Europapokal gewonnen. Kein anderer Fußballer, der sich aus der DDR in den Westen abgesetzt hat, kann solche Meriten vorweisen wie der gebürtige Sangerhäuser, den die Späher des HFC als 14-Jährigen von Polleben bei Eisleben nach Halle an die Saale holten. Er ist damit auch der erfolgreichste Fußballer, de jemals das Trikot des HFC Chemie getragen hat. Als Gast in der MDR-Talkshow „Riverboat“ (Beginn um 22 Uhr) wird Norbert Nachtweih am Freitagabend über seine ungewöhnliche Karriere und seine Erlebnisse in beiden deutschen Staaten plaudern.
Norbert Nachtweih, der vier Enkel hat, lebt heute mit seiner zweiten Frau und einem Dackel in der Nähe von Frankfurt, dort, wo er in der Fußballschule von Charly Körbel seine Brötchen verdient. Der schussgewaltige Rechtsbeiner hat in seiner Profikarriere insgesamt 325 Bundesligaspiele für Frankfurt und Bayern bestritten und dabei 46 Tore erzielt. Sein Markenzeichen waren Schüsse aus der Distanz. „Weil ich keine Lust hatte, bis in den Strafraum zu laufen, habe ich einfach aus 30 Metern abgedrückt“, verriet er einmal augenzwinkernd sein Erfolgsrezept. In seiner Biografie, die 280 Seiten umfasst und Anfang Oktober im Verlag Edelsports erscheint, gibt Norbert Nachtweih unter dem Titel „Zwei Welten – Meine deutsch-deutsche Fußballgeschichte“ ganz persönliche Einblicke in sein Leben und seine Laufbahn. Aufgeschrieben hat das alles der Sportjournalist und Dokumentarfilmer Mathias Liebig, der bereits als Jugendlicher für die Mitteldeutsche Zeitung über den Fußballer geschrieben hat. Der Autor hat auch schon im Jahr 2021 für den „Sportclub“ des NDR einen Fernseh-Beitrag mit dem Titel „Vom Flüchtling zum Bayern-Star“ gedreht.
Der knapp halbstündige Streifen schildert die dramatischen Umstände der Flucht der HFC-Spieler Pahl und Nachtweih in den Westen. Bei der Vorführung des Films im Juni vorigen Jahre in einer Veranstaltung zum Thema „Geflüchtete DDR-Fußballer“ im Stadtmuseum in Halle gab es ein Wiedersehen von Norbert Nachtweih mit seinem „Zwilling“ Burkhard Pingel und ihrem einstigen HFC-Trainer Helmut Wilk, der 1962 als Torwart mit dem SC Chemie Halle den DDR-Pokal gewann. Die beiden werden am Freitagabend vor dem Fernseher sitzen und verfolgen, was ihr ehemaliger Mitstreiter, der 35 Spiele für den HFC bestritt, in der Talkrunde so zum Besten gibt.
Die MDR-Talkshow „Riverboat“ mit dem früheren HFC-Spieler und ehemaligem Fußball-Profi Norbert Nachtweih wird von Kim Fisher und Joachim Llambi moderiert.
Norbert Nachtweih beim Wiedersehen in Halle mit seinem Ex-Trainer Helmut Wilk und seinem ehemaligen Mitspieler Burkhard Pingel (von rechts). Foto: Bahn