Viele Jahre lang saß Bernd Bransch bei den Heimspielen des HFC auf der Haupttribüne des Halleschen Stadions. Zusammen mit seinem Freund und früheren Mannschaftskameraden Klaus „Banne“ Urbanczyk hat sich der erfolgreichste HFC-Spieler aller Zeiten von dort aus die Partien seines Heimatvereins angeschaut. Bis bei ihm eine heimtückische Krankheit ausbrach und er bald auf die Besuche im Stadion verzichten musste. So konnte der Ehrenspielführer des Klubs die Auftritte seiner Nachfolger nur noch in der Fan-Kneipe „Elfmeter“ oder wie zuletzt vor dem Fernseher verfolgen. Am 11. Juni 2022 schloss der „Branscher“, wie ihn die HFC-Fans liebevoll nannten, im Alter von 77 Jahren für immer seine Augen. Er wurde auf dem Gertraudenfriedhof in Halle beerdigt. Bei einer Gedenkveranstaltung im LEUNA-CHEMIE-STADION würdigte der Verein das Leben und die Erfolge des „Langen“, wie ihn seine Mitspieler riefen. Heute, am 24. September, wäre Bernd Bransch 80 Jahre alt geworden. Der Hallesche FC wird die Erinnerung an den größten Fußballer des Traditionsvereins und der Stadt Halle für immer wachhalten.

Bernd Bransch nimmt nicht nur in den Annalen der Rot-Weißen einen besonderen Platz ein. Schon vor 50 Jahren hat er als Kapitän der DDR-Auswahl Fußball-Geschichte geschrieben. Im einzigen deutsch-deutschen Duell besiegte er mit seiner Mannschaft bei der Fußball-Weltmeisterschaft in der Bundesrepublik die Gastgeber am 22. Juni 1974 in Hamburg mit 1:0. Es war zugleich das einzige Aufeinandertreffen der beiden Fußball-Legenden Bernd Bransch und Franz Beckenbauer. Der gebürtige Hallenser hatte am 26. September 1973 im Zentralstadion in Leipzig vor mehr als 100 000 Zuschauern mit zwei fulminanten Freistoßtoren gegen Rumänien den Weg zur einzigen WM-Teilnahme der DDR geebnet. In 72 Spielen trug Bernd Bransch das Trikot der DDR-Nationalmannschaft. Zweimal in seiner außergewöhnlichen Laufbahn kürte man ihn in der DDR zum „Fußballer des Jahres“. 1972 kam der gebürtige Hallenser mit Olympia-Bronze aus München zurück. Vier Jahre später gewann er mit der Fußball-Auswahl der DDR eine Goldmedaille bei Olympia in Montreal. Als er 1973/74 nach dem Oberliga-Abstieg des HFC als Nationalspieler notgedrungen zum FC Carl Zeiss Jena wechseln musste, pendelte er jeden Tag zwischen der Universitätsstadt in Thüringen und seiner Heimatstadt Halle. „Es war zwar eine schöne Zeit im Jenaer Paradies, doch in meinem Herzen bin ich immer ein Rot-Weißer geblieben“, bekannte der Familienvater zweier Töchter nach dem Mauerfall in einem Zeitungs-Interview.

Als Bernd Bransch am 24. September 1944 in Halle auf die Welt kam, tobte noch ein schrecklicher Welten-Brand. Der Junge, der im halleschen Süden aufgewachsen ist, jagte von klein auf mit den Nachbarskindern dem runden Leder nach. Bernd Bransch war das, was man heute als Straßenfußballer bezeichnet. Da es damals noch keine Bolzplätze gab, musste er sich andere Möglichkeiten suchen, um mit dem Ball zu üben. Und so schlich er sich als Steppke zusammen mit seinem besten Schulfreund Eugen Teuscher, dem Sohn des Platzwarts vom Stadion am Böllberger Weg, sonntags in aller Frühe heimlich auf den Platz, um dort zu spielen. Als Achtjähriger schloss er sich der BSG Motor Halle-Süd an. Das war der Beginn einer beispiellosen Laufbahn. Als Halbwüchsiger spielte Bernd Bransch noch im Sturm, später bei Wissenschaft Halle rückte er in die Abwehr, als Libero feierte er dann seine größten Erfolge. Fast 300 Mal spielte er von 1963 bis 1977 für den SC Chemie und den HFC Chemie.

An der Seite von Fußball-Idolen wie Klaus „Banne“ Urbanzcyk, Werner Lehrmann und Helmut Wilk reifte der „Branscher“ zu einem Weltklassespieler heran. „Ich war nie ein Riesentalent. Aber unheimlich ehrgeizig und jemand, der hart trainiert hat. Später kam dann noch die Robustheit dazu“, sagte er 2017 in seinem letzten Interview im HFC-Stadionheft „Der Chemiker“. Das Duell mit der Bundesrepublik zur WM 1974 hat Bernd Bransch anders als die DDR-Sportfunktionäre nie als „Klassenkampf“ empfunden. „Wir wollten aber zeigen, dass auch im Osten guter Fußball gespielt wird“, so der Ehrenspielführer des HFC. Als 25 Jahre danach die Mauer fiel, sah sich auch der gelernte Lokschlosser, der später seinen Meister in der Metallverarbeitung gemacht und dann noch ein Studium zum Ingenieurökonom abgeschlossen hat, als Präsident des HFC Chemie im vereinten Deutschland vor völlig neue Herausforderungen gestellt. Sein Tod hat viele Menschen weit über Halle hinaus bewegt, vor allem auch in der Traditionself des HFC, in der er noch viele Jahre nach seinem Karriereende gespielt hat. Dort wird man bestimmt an seinem heutigen Jubiläum an ihn denken. Bernd Bransch bleibt nicht nur in der gesamten rot-weißen Familie unvergessen. Das Foto vom Handschlag mit dem „Kaiser“ zur Weltmeisterschaft 1974 hat ihn ohnehin als Fußballer unsterblich gemacht.