Das wird kein normales Vorbereitungsspiel wie jedes andere: Wenn der HFC am Freitagabend um 18.30 Uhr im Leuna-Chemie-Stadion den 1. FC Lok Leipzig zum Nachbarschafts-Duell empfängt, dann kommt es zu einem echten Klassiker des ostdeutschen Fußballs. Allein in der DDR-Oberliga haben der HFC Chemie und „die Loksche“ seit der Klubgründung im Januar 1966 schon 41 Mal die Klingen gekreuzt. Meist behielt der Verein aus Leipzig-Probstheida, dessen Wurzeln bis zum ersten deutschen Fußballmeister VfB Leipzig zurückreichen, die Oberhand. Zweimal mussten die Rot-Weißen sogar eine schmerzliche 0:8-Schlappe gegen den vierfachen DDR-Pokalsieger aus der Messestadt hinnehmen. Doch auch die Hallenser verbuchten gegen die Blau-Gelben denkwürdige Siege, so wie beim 4:2-Erfolg vom Mai 1968, als dem HFC-Stürmer Klaus-Dieter Boelssen drei Tore gelangen. Das bisher letzte Punktspiel zwischen beiden Vereinen stammt aus der NOFV-Oberliga-Saison 2003/04, als der VfB damals nach Ende der Spielzeit in Insolvenz ging. Der 2003 neugegründete Verein 1. FC Lok Leipzig fusionierte 2021 mit dem in Auflösung befindlichen VfB und stellte damit die alte Traditionslinie wieder her, die bis ins Jahr 1893 reicht.
Unter besonderen Vorzeichen stand die Begegnung vom 11. April 2018, als Lok Leipzig dem finanziell angeschlagenen HFC mit einem Benefizspiel unter die Arme griff. Über 8 000 Zuschauer verfolgten im halleschen Stadion die Partie, die der Drittligist mit 4:2 gewann. Ein Ergebnis, das zur Nebensache geriet, weil zugleich in der Fankurve ein ungewöhnliches Jubiläum gefeiert wurde. 30 Jahre zuvor war eine Fanfreundschaft zwischen beiden Vereinen begründet worden. Der Schulterschluss kam in der Saison 1997/98 zustande, als Hunderte HFC-Anhänger ins Bruno-Plache-Stadion pilgerten, um den VfB Leipzig beim entscheidenden Saisonspiel um den Klassenerhalt in der zweiten Liga zu unterstützen. Davon hing auch das Schicksal der Rot-Weißen in der Amateur-Oberliga ab. Doch der erhoffte Sieg der Leipziger gegen Wattenscheid blieb aus. Die Probstheidaer mussten wie auch Jena und Zwickau als dritter Ostverein die zweithöchste Spielklasse verlassen. Und infolgedessen gerieten auch die Hallenser als Viertletzter der NOFV-Oberliga noch in den Abstiegsstrudel und mussten wieder den Weg in die Verbandsliga antreten.
Seither sind die beiden Fanlager zu einer verschworenen Gemeinschaft geworden. Insofern ist es für die Verantwortlichen in Halle und Leipzig kein Problem, dass ihre Mannschaften am Freitagabend ein Vorbereitungsspiel bestreiten, obwohl sie nach dem Abstieg des HFC aus der dritten Liga nun in der Regionalliga bald wieder im Kampf um Punkte aufeinander treffen. Und die Anhänger der Rot-Weißen sind natürlich gespannt, wie sich das neuaufgestellte Team von Trainer Mark Zimmermann im letzten Test vor Saisonbeginn am 25. Juli in Chemnitz im Nachbarschafts-Duell gegen den einstigen DDR-Oberliga-Rivalen Lok Leipzig präsentiert. Also auf ins Leuna-Chemie-Stadion!