Was war das für eine Jubelszene: Nach seinem Führungstor gegen den FC Ingolstadt schreit Niklas Landgraf seine Freude in voller Inbrunst ins Stadionrund. Er rutscht auf Knien über den Rasen und wirft dabei seine Arme nach vorn, so als wollte er sagen: Seht her, ich kann es doch! Die überschäumende Freude des HFC-Abwehrspielers mit der Nr. 31 ist mehr als verständlich. Schließlich erzielte er gegen die Bayern seinen ersten Treffer in der dritten Profiliga. „Und lange genug habe ich darauf gewartet. Da muss ich wohl jetzt der Mannschaft einen ausgeben“, sprudelt es aus ihm nach Abpfiff der Partie, die der HFC mit 3:1 gewann, heraus. In der Tat. Seit Juli 2017 trägt der gebürtige Chemnitzer das Trikot der Hallenser, doch seither konnte er kein Tor in einem Pflichtspiel für die Rot-Weißen erzielen. Noch im Trainingslager in der Türkei hatte er in einer Runde mit der Mannschaft auf die Frage, wer das erste Tor nach der Winterpause schießen werde, mit „Na ich bestimmt nicht“ geantwortet. Es kam prompt anders. Ausgerechnet in der „verflixten“ siebten Saison brach der Bann. Im 204. Pflichtspiel für den HFC versenkte der 27-jährige Profi den Ball im Kasten der Ingolstädter. Es war die 4. Spielminute und mit diesem Treffer brachte „Landi“, wie ihn alle rufen, seine Elf mit 1:0 in Führung. Und der Linksfuß traf auch noch mit seinem eigentlich schwächeren rechten Fuß, „sonst wäre der Ball vielleicht gar nicht reingegangen“, scherzte er in den Interviews, die er danach den Journalisten geben musste.
Niklas Landgraf hat dieses Glücksgefühl, das er auch in der Fankurve mit den Anhängern des HFC teilte, richtig ausgekostet. Wie dicht Freud und Leid beieinander liegen, das hat der Sympathie-Träger des halleschen Traditionsvereins auch in dieser Saison wieder einmal zu spüren bekommen. Vor der Heimpartie gegen 1860 München am 23. September vorigen Jahres wurde er für sein 200. Spiel mit einem Sonder-Trikot ausgezeichnet. Seine Freude währte nicht lange, wenige Minuten vor dem Abpfiff zog er sich nach einer Attacke eines Münchner Spielers eine schwere Knieverletzung zu. Ihm drohte eine monatelange Zwangspause. Doch seine Genesung verlief schneller als alle angenommen hatten. Bereits Ende November beim 2:1-Auswärtserfolg in Freiburg saß „Landi“ schon wieder auf der Bank. Und beim nächsten Spiel gegen Arminia Bielefeld kehrte er unter dem Beifall der Zuschauer im LEUNA-CHEMIE-STADION auf den Platz zurück. Schon sein Start bei den Rot-Weißen stand unter keinem guten Stern. Beim ersten Training im Juni 2017 erlitt Niklas Landgraf nach einem Zusammenprall eine Knieverletzung. Er fiel ein Vierteljahr aus. „Das hat mich schon mächtig gewurmt, aber so blieb mir nichts anders übrig, als mich in Geduld zu üben“, so der Schwarzschopf, der beim TSV IFA Chemnitz seine Laufbahn begann und heute zu einem Leistungsträger beim Drittligisten in Halle geworden ist.
Zum Glück für den HFC ist Niklas Landgraf nicht in die Fußstapfen seiner Eltern getreten. Sein Vater war nämlich Turner und seine Mutter eine erfolgreiche Eiskunstläuferin. Manuela Landgraf holte immerhin mit Ingo Steuer, dem späteren Trainer von Eiskunstlauf-Star Aljona Sawtschenko, im Jahre 1984 in Japan den ersten und bisher einzigen Junioren-Weltmeister-Titel für Deutschland im Paarlauf. Sie stellte natürlich auch ihren Sohn, der am 1. März 1996 geboren wurde, schon frühzeitig aufs Eis. „Doch auf dem glatten Geläuf kam ich nicht so gut zurecht“, erinnert sich der Verteidiger des Drittligisten. Auch bei seinen ersten Turnversuchen hat sein Vater gleich abgewunken. Niklas Landgraf jagt seither lieber dem runden Leder nach und das mit Erfolg. Der 1,78 Meter große und 63 Kilo schwere Fußballer hat sich zum Stammspieler der Rot-Weißen entwickelt. Nicht nur das. Nach dem Abschied von Toni Lindenhahn ist der Chemnitzer nun Halles Rekordspieler in der dritten Profiliga. „Darauf bin ich schon stolz“, bekennt der Westsachse, der sich beim HFC und in Halle pudelwohl fühlt und daher seinen Vertrag bis 2025 verlängert hat.
Mit der Nummer 31 auf dem Rücken gehört der schmächtige Sachse zu den HFC-Akteuren, die in der Regel in der Startformation gesetzt sind. „Ich versuche, mein körperliches Manko durch gutes Stellungsspiel und meine technischen Fähigkeiten wettzumachen“, so Niklas Landgraf, der Extra-Schichten im Kraftraum geschoben hat, um körperlich robuster zu werden. Sein erstes Drittliga-Spiel bestritt er übrigens mit 20 Jahren noch bei Dynamo Dresden. Dort schoss er auch in der Nachwuchs-Bundesliga für Dynamo sogar vier Tore. Als die Schwarz-Gelben nach dem Aufstieg in die 2. Liga ohne ihn planten, ging er nach Halle. Dynamo-Kapitän Marco Hartmann, der mit dem HFC im Mai 2012 den Sprung in die 3. Liga geschafft hatte, pries ihn den Verantwortlichen in Halle an. Und so landete Niklas Landgraf in der Saalestadt. „Was ich nie bereut habe“, wie er ohne Umschweife bekennt. Im September 2017 saß er nach dem Ende seiner Reha zum ersten Mal im Mannschaftsbus, als der HFC zum Auswärtsspiel nach Lotte aufbrach. Es dauerte noch bis Ende Oktober, ehe er beim 2:0-Sieg gegen Meppen in der 89. Minute eingewechselt wurde.
Inzwischen hat sich Niklas Landgraf zu einem Führungsspieler gemausert. „Eine Rolle, die ich jetzt auch angenommen habe“, versichert er. Wobei er sich nicht in den Vordergrund schiebt. Er ist eher zurückhaltend, freilich nicht auf dem Platz. Das bekommen auch seine Kontrahenten zu spüren. Sie treffen bei ihm auf einen hartnäckigen Verteidiger, der seine Aufgaben vor allem spielerisch lösen will. „Einfach den Ball nach vorne dreschen, das ist nicht mein Stil und das passt auch nicht in unsere Spielanlage“, beschreibt er sein Credo als Fußballer. Dabei hat er sich immer am Ex-Bayern David Alaba orientiert. „Er war und ist mein Vorbild“, so Niklas Landgraf, der sich in seiner freien Zeit seinem Fernstudium für Sportmanagement und Psychologie widmet.