Halles bester Fußballer ebnete vor 50 Jahren mit zwei Freistoßtoren in Leipzig gegen Rumänien den Weg zur einzigen WM-Teilnahme der DDR. Als Kapitän der Nationalmannschaft sorgte seine Elf mit dem sensationellen 1:0-Sieg gegen die Bundesrepublik für Furore – heute wäre er 79 Jahre alt geworden.
Der 26. September 1973 ist irgendwie in Vergessenheit geraten. Dabei erlebte der DDR-Fußball an jenem Mittwoch im Spätsommer vor 50 Jahren eine Sternstunde. Und maßgeblich daran beteiligt war der Hallenser Bernd Bransch, der zwei Tage zuvor 29 Jahre alt geworden war. Schauplatz des denkwürdigen Ereignisses war das Zentralstadion in Leipzig. Im Länderspiel gegen Rumänien ging es um nicht mehr oder weniger als die erste Teilnahme der DDR an einer Fußball-Weltmeisterschaft. Rund 100 000 Zuschauer säumten das weite Stadionrund in der Hoffnung, am Ende jubeln zu können. „Der Lange“, wie Bransch von seinen Mitspielern beim HFC gerufen wurde, brachte dann auch den Kessel zum Brodeln. Nach der 0:1-Niederlage in Rumänien musste die DDR-Auswahl dieses Qualifikationsspiel unbedingt gewinnen, um sich noch die Chance auf die WM-Teilnahme 1974 in der Bundesrepublik zu erhalten. Und die Rumänien waren dann auch „ein schwerer Gegner in einem schweren Spiel“, wie Sportreporter-Legende Oertel kundtat.
Im Mittelpunkt der dramatischen Begegnung stand neben Halles „Jahrhundert-Fußballer“ Bernd Bransch auch der rumänische Torwart. Kurz vor der Pause musste er sich erstmals geschlagen geben, als der Mannschaftskapitän der DDR nach einem indirekten Freistoß im Strafraum zum 1:0 traf. Mittelstürmer Peter Ducke hatte den Ball kurz auf Bransch abgelegt, dessen Schuss noch abgefälscht wurde und damit unhaltbar für Rumäniens Torwart im Netz zappelte. Der Keeper der Gäste sorgte nach der Pause mit einer unfairen Attacke gegen Hansi Kreische für einen Schock in der DDR-Elf und Kopfschütteln auf den Rängen. Der Dresdner musste schwer verletzt das Feld verlassen. Zur allgemeinen Verwunderung gab der Schweizer Schiedsrichter nach diesem brutalen Foul weder einen Freistoß noch eine Verwarnung. Nach gut einer Stunde stoppte der rumänische Keeper den Ball außerhalb des Strafraums mit der Hand. Aus halbrechter Position etwa 20 Meter vor dem Gehäuse trat wieder Libero Bernd Bransch zum fälligen Freistoß an. Und erneut legte der Leipziger Löwe kurz ab, so dass der Hallenser den Ball mit seinem gefürchteten linken Fuß voll traf und das Leder platziert und mit voller Wucht in der unteren Ecke versenkte.
Ein unbeschreiblicher Jubel brach im Zentralstadion aus. Die Zuschauer lagen sich in den Armen. Alle DDR-Spieler stürzten sich auf ihren Kapitän. Mit seinen beiden fulminanten Freistoßtoren vom 26. September 1973 ebnete Bernd Bransch den Weg zur ersten WM-Teilnahme einer DDR-Fußball-Auswahl. Nach dem 4:1-Auswärtserfolg in Albanien im Frühjahr 1974 wurde der  Traum wahr. Die ostdeutschen Fußballer qualifizierten sich als Gruppenerster für das Kräftemessen der weltbesten National-Mannschaften in der Bundesrepublik. Ein historischer Erfolg. Und ein einmaliges Erlebnis auch für Bernd Bransch. Als Junge, der im halleschen Süden aufgewachsen ist, jagte er von klein auf mit den Nachbarskindern dem runden Leder nach. Er war das, was man heute als Straßenfußballer bezeichnet. Da es damals noch keine Bolzplätze gab, musste er sich andere Möglichkeiten suchen, um mit dem Ball zu üben. Als Steppke ist er zusammen mit seinem  Schulfreund Egon Teuscher, dem Sohn des Platzwarts vom Stadion am Böllberger Weg, sonntags in aller Frühe heimlich auf den Platz geschlichen, um dort zu spielen. Als Achtjähriger schloss er sich der BSG Motor Halle-Süd an. Anfangs spielte Bernd Bransch noch im Sturm, später bei Wissenschaft Halle rückte er in die Abwehr, als Libero feierte er dann seine größten Erfolge.
Insgesamt 317 Mal spielte der „Lange“ von 1963 bis 1977 für den SC Chemie und den HFC. Für beide Vereine schoss er stattliche 61 Tore. Doch zwei Freistoß-Treffer in einer Partie, wie gegen Rumänien, gelangen ihm auch als Klubspieler nie. In 72 Spielen trug Bernd Bransch das Trikot der DDR-Nationalmannschaft. Zweimal in seiner außergewöhnlichen Laufbahn, nämlich 1968 und 1974, kürte man ihn zum „Fußballer des Jahres“. 1972 kam der Hallenser mit Olympia-Bronze aus München zurück. Vier Jahre später gewann er mit der Fußball-Auswahl der DDR eine Goldmedaille bei Olympia in Montreal. Dazwischen lag die Fußball-Weltmeisterschaft, bei der die DDR-Auswahl mit dem sensationellen 1:0-Sieg in der Vorrunde gegen den späteren Weltmeister aus der Bundesrepublik für Furore sorgten dem Ende beachtlicher Sechster wurde. Das Foto vom Händedruck zwischen Bransch und Franz Beckenbauer vor der Begegnung am 22. Juni 1974 in Hamburg ging um die Welt. Der Magdeburger Jürgen Sparwasser wurde mit seinem Treffer in der 78. Minute „unsterblich“. Beckenbauer, den man später den „Kaiser-Franz“ nannte, übernahm nach dieser schmerzlichen Niederlage das Ruder und führte die Mannschaft von Trainer Helmut Schön, der nach dem Krieg aus Dresden in den Westen gegangen war, zum Titelgewinn.
Das Duell mit der Bundesrepublik hat Bernd Bransch anders als die DDR-Sportfunktionäre nie als „Klassenkampf“ empfunden. „Wir wollten aber zeigen, dass auch im Osten guter Fußball gespielt wird“, so die HFC-Ikone. Im Herbst des gleichen Jahres traf er in Paris wieder mit Beckenbauer zusammen. Die Unesco verteilte bei dieser Veranstaltung den Fair-Play-Preis für das deutsch-deutsche WM-Duell. Nach dem Bankett wollte der „Kaiser“ seinen Tischnachbarn mit einem Privatflieger nach Halle zurückbringen. Bernd Bransch musste damals über dieses Angebot nur lächeln. Er konnte nicht ahnen, dass 25 Jahre später die Mauer fiel und er sich danach als Präsident des HFC im vereinten Deutschland vor völlig neue Herausforderungen gestellt sah. „Ich war nie ein Riesentalent. Aber unheimlich ehrgeizig und jemand, der hart trainiert hat. Später kam dann noch die Robustheit dazu“, sagte er 2018 in seinem letzten Interview mit dem „Chemiker“, bevor bei ihm eine heimtückische Krankheit ausbrach.
Am 11. Juni 2022 starb der größte hallesche Fußballer im Alter von 77 Jahren. Bei der Trauerfeier auf dem Gertraudenfriedhof erwiesen ihm auch einige seiner Mitspieler vom 2:0-Triumph gegen Rumänien die letzte Ehre.