In der Politik ist es üblich, nach 100 Tagen im Amt eine erste Bilanz zu ziehen. Zwar ist Sreto Ristic viel lieber Fußballlehrer als Politiker. Aber auch der Trainer des Halleschen FC blickt am 22. Mai auf 100 Tage Amtszeit seit Anheuern an der Saale zurück. Die Bilanz ist beeindruckend.
Sreto Ristic, Du hast den HFC auf dem letzten Tabellenplatz mit vier Punkten Rückstand auf das rettende Ufer übernommen. Etwas mehr als drei Monate später sind es sechs Punkte Vorsprung auf die Abstiegszone, der Klassenerhalt ist geschafft. Wie optimistisch warst Du am ersten Tag?
Ohne die Überzeugung es mit dem Team noch schaffen zu können, hätte ich die Aufgabe nicht übernommen. Allerdings haben stets sehr viele Faktoren Einfluss auf den sportlichen Erfolg. Verletzungen, Sperren, Spielglück, Schiedsrichterentscheidungen. Insofern war es keineswegs selbstverständlich, dass wir es trotz der prekären Ausgangslage tatsächlich gemeinsam geschafft haben. Sogar einen Spieltag vor Saisonende. Dafür gebührt allen Beteiligten größter Respekt.
Die Mannschaft hat unter Deiner Regie in 15 Spielen 24 Punkte geholt und souverän das Pokalfinale erreicht. Wo hast Du den Hebel angesetzt?
Klar ist: Nur weil ein anderer Trainer draußen auf der Bank sitzt, gewinnt keine Mannschaft plötzlich Spiele. Es ging immer um Inhalte. Um abrechenbare Aufgaben. Natürlich hat uns geholfen, dass wir sofort das erste Auswärtsspiel gewonnen haben und dann zehn Spiele ungeschlagen blieben. Der Glaube an die eigene Stärke kam sukzessive zurück, das Selbstvertrauen wuchs. Die Jungs waren von Anfang bereit und lernwillig. Es nützt keine Spielidee, wenn sie von der Mannschaft nicht verstanden und getragen wird. Wichtig war, nichts zu verkomplizieren. Kompaktheit, Stabilität, Laufbereitschaft, Zweikampfverhalten – das waren unsere Tugenden. Nur wenn wir am Limit agiert haben, waren wir erfolgreich. Mit 90 Prozent abgerufenem Leistungsvermögen hätten wir in dieser Liga kein Spiel gewonnen. Dazu sind wir nicht gut genug.
Das klingt so einfach. Gibt es nicht doch ein Geheimrezept für den zurückgekehrten Erfolg mit dem Ergebnis Klassenerhalt?
Nein. Wir sind schlicht und ergreifend bei uns geblieben, haben nicht nach links und rechts geschaut oder sind unter dem Ergebnisdruck zerbrochen. Jeder kannte seine Aufgaben, seine Stärken, seine Fähigkeiten, seine Rolle. Nur so waren die vielen Ausfälle zu kompensieren und Rückschläge zu verkraften. Unser Credo war von Anfang an: Wir verteidigen das eigene Tor mit allem, was wir haben. Die sechs Spiele ohne Gegentor waren Bestätigung und Fundament für unsere jetzige Tabellenposition.
Die Fans im Stadion sangen am Sonnabend nach Abpfiff „Wir wollen den Trainer sehen“. Ist das eine besondere Form der Wertschätzung?
Na klar. Und natürlich freue ich mich sehr darüber, dass die Fans den Klassenerhalt auch mit mir in Verbindung bringen. Letztlich aber stehe ich nur symbolisch ganz vorn und stellvertretend für viele, die einen immens wichtigen Beitrag geleistet haben. Sportdirektor Thomas Sobotzik hat uns den Rücken freigehalten, das Trainer- und Funktionsteam hat Gas gegeben, die Fans haben über Wochen einen fantastischen „Job“ gemacht. Deshalb war es mir wichtig, nicht allein in die Fankurve zu marschieren, sondern mit dem gesamten Trainerteam.
Der HFC und Ihr als Verantwortliche können nun durchatmen. Wie lange?
Im Fußball darf man sich nie zurücklehnen. Wir genießen den Moment, keine Frage. Aber dann gilt es bereits wieder, die Weichen für die nächste Saison zu stellen. Dazu gehört das Pokalfinale gegen Wernigerode, weil wir unbedingt im DFB-Pokal dabei sein wollen. Davor geht es am 31. Mai noch gegen Gladbach. Und natürlich wird es eine große Herausforderung, eine wettbewerbsfähige Mannschaft für 2023/24 zusammenzustellen. Wir wollen möglichst nicht noch einmal in solch eine sportliche Situation geraten wie bei meinem Amtsantritt. Denn man muss es so deutlich sagen: Das geht nicht immer gut. Wir haben das Glück zuletzt arg strapaziert und es uns im wahrsten Sinne des Wortes hart erarbeitet.