HFC-Ehrenmitglied Erich Conradi wollte mit 92 Jahren nochmal bei einem Drittliga-Spiel live im Stadion dabei sein. Sein Verein, bei dem er als Kindertrainer einst Talente wie Jens Adler, Jörg Nowotny und Frank Schön förderte, hatte ihn zur Heimpartie gegen Elversberg eingeladen.

Im Märchenfilm-Klassiker „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ hat die Hauptfigur drei Wünsche frei. Erich Conradi ist da bescheidener. Zu seinem 92. Geburtstag am 16. August hatte der ehemalige Nachwuchstrainer der Rot-Weißen beim Besuch des früheren HFC-Jugendleiters Dirk Overbeck nur einen Wunsch geäußert. Er möchte gern noch einmal ein Spiel seines geliebten HFC im Stadion hautnah erleben. Und der 77-jährige ehemalige Vereinsvize, schon immer als Organisationstalent bekannt, setzte alle Hebel in Bewegung, um dem Ehrenmitglied des Traditionsvereins diesen Wunsch zum erfüllen. Und so wurde Erich Conradi von seinem Betreuer aus dem Altersheim in Halle-Neustadt abgeholt und mit einem Spezial-Fahrzeug für Rollis ins LEUNA-CHEMIE-STADION gebracht, um sich die Partie gegen Elversberg anzuschauen. Dort erlebte er dann das Spiel des HFC gegen den Tabellenführer – und hätte sich ganz bestimmt ein anderes Ergebnis gewünscht. Mit seinen nunmehr 92 Jahren dürfte Erich Conradi zudem einer der ältesten Zuschauer sein, die jemals live im Stadion eine Begegnung des HFC verfolgt haben.

„Solch ein Anliegen konnte ich ihm doch nicht abschlagen“, sagte Dirk Overbeck, der Anfang der 1970er Jahre die HFC-Junioren, in denen auch der spätere Bundesligaprofi Norbert Nachtweih mitspielte, betreut hat. Von daher kannte er auch Erich Conradi, der als Übungsleiter der HFC-Kindermannschaften eine ganze Ära geprägt hat. Sein unermüdliches Engagement bei der Nachwuchsförderung wurde im November 2000 vom damaligen HFC-Präsidenten Hans-Dieter Walter mit der Ernennung zum Ehrenmitglied gewürdigt. Die Urkunde bewahrt Erich Conradi natürlich bis heute auf, so wie auch zahlreiche Medaillen, Auszeichnungen und Pokale, die der frühere Trainer mit seinen Mannschaften im Laufe der Zeit errungen hat. Die Sportanlage am Sandanger war praktisch sein zweites Zuhause. Dort kümmerte er sich zusammen mit anderen Mitstreitern wie Rainer Wolf, Joachim Fichte, Karl-Heinz Knöchel, Kurt Fichtenau, Heinz Gazmaga, Rolf Römer, Manfred Wien, Herbert Andörfer, Axel Reschke, Peter Handrischik, Tielo Marciniak  und Steffen „Berti“ Vogts um die jüngsten Talente beim HFC. „Wir waren eine verschworene Gemeinschaft“, blickt Erich Conradi noch immer mit Stolz und Genugtuung auf diese Zeit zurück.

Zu den Steppkes, denen am Sandanger das Fußball-ABC beigebracht wurde, gehörten bekannte Spieler wie Torwart-Legende Jens Adler, Thomas Weiß, Jörg Nowotny, Erick Schulz und Frank Schön, die nach dem Mauerfall mit dem HFC den Sprung in die 2. Bundesliga geschafft haben. Manche wurden später sogar Bundesligaprofis. Auch der langjährige HFC-Manager Ralph Kühne stand in der Saison 1976/77 in der 1. Kindermannschaft des HFC, die damals einen der zahlreichen Titel als Bezirksmeister holte. „Ich habe mich immer gefreut, wenn einer meiner Schützlinge als Fußballer was geworden ist“, so der ehemalige Nachwuchstrainer. Jens Adler, der durch seine späte Einwechslung beim Länderspiel 1990 gegen Belgien als letzter Nationalspieler der DDR in die Fußball-Geschichte einging, hat später immer wieder davon geschwärmt, wie warmherzig er als Steppke von den Eheleuten Conradi aufgenommen wurde.  Was all ihre Schützlinge zu schätzen wussten, war die familiäre Atmosphäre auf dem Sandanger, wofür vor allem auch Conradis Frau Gerda sorgte. Sie war die treue Seele, die stets danach schaute, dass die Fußballschuhe geputzt und die Trikots gewaschen waren. „Mutti Gerda, die sich auch um ordentliche Pausenversorgung kümmerte, hatte alles Griff“, erinnert sich Dirk Overbeck.

„Die Beiden haben die Jungen liebevoll umsorgt. Sie haben sich regelrecht für ihre Schützlinge aufgeopfert“, weiß HFC-Legende Dieter Strozniak, der Erich Conradi am Sonnabend herzlich begrüßte. Die Eltern konnten sich jedenfalls darauf verlassen, dass ihre Sprösslinge bei Erich und Gerda Conradi in den besten Händen waren. Lange Zeit zählten die Eheleute auch zum Stammpublikum im Stadion. Bis Erich Conradi gesundheitliche Problem bekam und seine Frau sich rührend um ihn kümmerte. Nach ihrem Tod im Jahre 2018 fand Erich Conradi in einem Neustädter Seniorenheim, in dem er bis heute lebt, ein neues Zuhause. Zu seinem Leidwesen musste er sein „Fußball-Museum“ in der alten Wohnung in der Eisleber Straße auflösen, wovon allerdings so mancher Sammler von rot-weißen Devotionalien profitierte. Auch sein Urenkel behielt zur Erinnerung etliche signierte Bälle. In seinem neuen Domizil lässt er im Fernsehen kein Spiel des HFC aus, versichert sein Betreuer Fabian Reum. Sein letzter Besuch im Stadion liegt sechseinhalb Jahre zurück. Damals am 26. April 2014 hatten sich zum 85. Geburtstag von Erfolgstrainer Walter Schmidt rund 50 alte Weggefährten, ehemalige Übungsleiter und Betreuer des Drittligisten auf Einladung der Vereinsspitze am Sandanger getroffen. Danach erlebten alle das Heimspiel zwischen dem HFC und dem MSV Duisburg, das 1:1 endete. Ein emotionaler Höhepunkt des Wiedersehens.

Vor allem das Gefühl, vom Verein nicht vergessen zu sein, hat sich bei Erich Conradi damals eingeprägt. Angeregt durch die Gratulanten zu seinem 92. Geburtstag kam in ihm der Wunsch hoch, noch einmal diese tolle Atmosphäre in der „Wohnstube des HFC“ zu genießen. Er wurde herzlich gern erfüllt.

Darüber hinaus feiert ein hallescher Pokalheld am 19. September seinen 80. Geburtstag. Es ist der ehemalige Stürmer Rainer Topf. Er stand mit 20 Jahren als Rechtsaußen in der Elf des SC Chemie Halle, die am 9. Juni 1962 im damaligen Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) überraschend die Trophäe errang. Im Endspiel bezwangen die Schützlinge des Trainergespanns Heinz Krügel und Otto Werkmeister den Favoriten vom SC Dynamo Berlin mit 3:1-Toren. Rainer Topf, genannt „Vati“, war das Küken in einer Mannschaft, in der auch die halleschen Fußball-Idole Werner „Paule“ Lehrmann, Klaus „Banne“ Urbanczk und Günter „Lepper“ Busch standen. Torhüter des Pokalsiegers war der heute 82-jährige Helmut Wilk, der aus Aschersleben nach Halle kam. Davor organisierte Klaus Hoffmann, später über 20 Jahre lang Mannschaftsbetreuer des HFC, die Abwehr der Hallenser. Den Siegtreffer zum 3:1 kurz vor Schluss der Partie erzielte Heinz Walter, der heute mit 91 Jahren im betreuten Wohnen in Seeburg am Süßen See lebt. Sein Sturmkollege Heinz Topf absolvierte von 1962 bis 1970 insgesamt 59 Oberligaspiele für den SC Chemie Halle und den HFC Chemie. Der 1,68 Meter große Stürmer schoss dabei fünf Tore. Seine Laufbahn ließ der gelernte Zimmerer danach bei Turbine Halle ausklingen. In den letzten Jahren schaute der Hallenser, der im Süden der Saalestadt wohnt, immer mal wieder mit dem Fahrrad beim Training des Drittligisten vorbei. Der Verein wünscht dem Jubilar und Pokalsieger alles Gute und vor allem, dass es ihm gesundheitlich bald wieder besser geht!