Zur Jahrtausendwende unternahmen die Präsidien des Halleschen FC und vom VfL Halle einen Vorstoß zur Fusion der beiden Vereine. Sie wollten die wirtschaftlichen Potentiale der Region bündeln. Doch die Fans machten ihnen einen Strich durch die Rechnung – mit weitreichenden Folgen. Der Jahrestag des „Widerstandes“ jährt sich im April zum 20. Mal.

Die Stunde der Wahrheit schlug am Abend des 5. April 2001. Auf einer Mitgliederversammlung sollten die Anhänger des VfL Halle 96 darüber entscheiden, ob sich die Fußballabteilung des Vereins vom Zoo dem HFC anschließt. Das Votum in geheimer Wahl fiel deutlich aus: Von 205 anwesenden Mitgliedern waren 134 gegen diesen Beitritt, nur 71 stimmten dafür. Damit war der Vorstoß einer gemeinsamen „Lenkungsgruppe“ gescheitert, die Kräfte der beiden Stadtrivalen zu vereinen. Die einen Tag später angesetzte Mitgliederversammlung des HFC wurde bedeutungslos. Nach der gescheiteren Fusion legte der damalige HFC-Vizepräsident Michael Schädlich sein Amt nieder, auch Sportkoordinator Ralph Kühne und Pressesprecher Jörg Sitte warfen das Handtuch. Tags zuvor hatte schon VfL-Präsident Wilfried Klose seinen Rücktritt angekündigt. Er gehörte wie Schädlich zu den treibenden Kräften, die in einem Zusammengehen der beiden Traditionsvereine die einzige Chance sahen, Halles Fußball in höhere Sphären zu hieven. „In einer wirtschaftlich schwachen Region ist eben kein Platz für zwei starke Fußballvereine“, begründete Klose das Ansinnen der Initiatoren. Sie hatten schon Monate vorher das brisante Thema angeschoben.

Halles Fußball kam nach der „Wende“ nicht so recht in die Puschen. Nach dem einjährigen Intermezzo des HFC in der 2. Bundesliga in der Saison 1991/92 kippten die sportlichen Machtverhältnisse in der Saalestadt. Der VfL 96 gewann bis zur Jahrtausendwende die Oberhand. Auch, weil etliche frühere HFC-Spieler zum Zoo wechselten, als über den Rot-Weißen der Pleitegeier kreiste. Vor 20 Jahren war der HFC gerade wieder in die Amateur-Oberliga zurückgekehrt, kämpfte dort aber lange Zeit gegen den Abstieg. Auch der Stadtrivale, der aus der Regionalliga abgestiegen war, blieb im Mittelmaß hängen. Schon zu Saisonbeginn kam es damals zu einem ersten verbalen Schlagabtausch zwischen Klose und Schädlich. Oberbürgermeisterin Ingrid Häußler bot sich daraufhin als „Ringrichterin“ an. Auf der Mitgliederversammlung des HFC im Oktober 2000 gab Vereinspräsident Hans-Dieter Walter bekannt, dass das Tal der Tränen durchschritten sei. Und der Verwaltungsbeamte aus dem Ruhrgebiet, der von Hause aus Handballer war, ließ auch in anderer Hinsicht die HFC-Mitglieder aufhorchen: Er peilte das ehrgeizige Ziel für den Verein an, in drei bis fünf Jahren wieder im bezahlten Fußball zu spielen.

Das klang für viele eher nach einer Utopie. Zumal das Budget des Vereins damals bei 1,5 Millionen D-Mark lag, während der VfL mit etwa 1,8 Millionen hantieren konnte. Unterm Strich war es für beide Vereine zu wenig, um große Brötchen backen zu können. Daher bildeten beide Vereinspräsidien eine „Lenkungsgruppe“, die eine Vision entwickelte: Zur Fußball-Weltmeisterschaft im Jahre 2006 in Deutschland wollte Halle in einem rekonstruierten Kurt-Wabbel-Stadion der Trainings-Gastgeber für einen WM-Teilnehmer sein. Dafür mussten allerdings die wirtschaftlichen Kräfte in der Region gebündelt werden. Das hieß aus Sicht der „Lenkungsgruppe“: Der  VfL sollte sich unters Dach des HFC begeben. Ein Beitritt und keine Verschmelzung, wie Schädlich in einer Erklärung betonte, um den Anhängern der Rot-Weißen die Fusion schmackhaft zu machen. Doch selbst das stieß bei vielen Fans auf Ablehnung.

Bei einem Fan-Forum am 2. März 2001 in der Gaststätte „Bischoff“ am Sportdreieck kochten die Emotionen hoch. Vor allem die altgedienten HFC-Anhänger konnten sich nicht mit dem Gedanken anfreunden, den ungeliebten Stadtrivalen vom Zoo mit ins Boot zu holen. Zu tief waren die Gräben geworden, nachdem der VfL in den Jahren des rot-weißen Niedergangs die sportliche Führungsrolle großspurig für sich beansprucht hat und damit insbesondere jene treuen HFC-Fans, die mit ihrer Mannschaft „über die Dörfer gezogen waren“, vor den Kopf stieß. Das Fass zum Überlaufen brachte in dieser aufgeheizten Atmosphäre der Vorschlag, das Gründungsjahr 1896 des VfL in den neuen Vereinsamen aufzunehmen. Man einigte sich schließlich nach einigem Hin und Her vor den entscheidenden Mitgliedersammlungen im April auf „1. Hallescher Fußballclub“.

Wie diese Zusammenkünfte zu den erforderlichen Satzungsänderungen in beiden Vereinen ausgehen würden, schien völlig offen. Die Stimmung im Fanlager des HFC war gespalten. Im Februar 2001 hatten sich immerhin 19 von 24 HFC-Fanclubvertretern für ein Zusammengeben mit dem VfL 96 ausgesprochen. Sie konnten die Argumente der „Lenkungsgruppe“ nachvollziehen, dass ohne diesen Schritt der Hallesche Fußball nicht vorankommen werde. Dem einen Verein fehlten die Sponsoren, dem anderen das Umfeld. Der damalige Fanbeiratsvorsitzende Matthias Schiffner räumte denn auch ein, dass es angesichts der wirtschaftlichen Zwänge und fehlender  sportlichen Perspektiven eine „Abstimmung des Verstandes und nicht des Herzens“ gewesen sei.

Und so warteten die HFC-Anhänger und Symphatisanten des Vereins mit Spannung auf den Ausgang der Mitgliederversammlung beim Stadtrivalen VfL 96. Nach einer kontroversen Diskussion sorgte an jenem wegweisenden Abend der Sprecher einer sogenannten Initiativgruppe für einen Paukenschlag. Er verkündete, dass eine neue Sponsorengruppe zugesichert habe, den VfL in den nächsten beiden Jahren mit jeweils drei Millionen D-Mark zu unterstützen, wenn die Fußballer eine eigenständige Abteilung beim Verein vom Zoo blieben. Eine Mehrheit der Mitglieder, denen die ungeliebte Fusion mit dem HFC ohnehin ein Dorn im Auge war,  glaubte diesem Versprechen, das angeblich von einer Finanzberaterin aus Dresden stammte. Der Fortgang der Geschichte ist bekannt. Die Zusage erwies sich als Flop. Mit fatalen Folgen.

Der VfL Halle 96, der damals zum Saisonende eigentlich Sechster war, zog aus finanziellen Gründen seine Mannschaft aus der NOFV-Oberliga zurück. Wichtige Sponsoren, vor allem städtische Unternehmen, wechselten zum HFC. Die Rot-Weißen stellten die alte Rangfolge wieder her. Der HFC stieg 2007/08 in die Regionalliga auf. 2011 wurde anstelle des maroden Kurt-Wabbel-Stadions eine moderne Fußball-Arena gebaut. Im Jahr darauf schaffte der Traditionsverein mit dem Aufstieg in die dritte Liga wieder den Sprung in den Profifußball. Trotz einiger finanziellen Turbulenzen hat sich der HFC dort behauptet. Und er ist das, was sich die unbeugsamen HFC-Fans schon 2001 innig gewünscht haben: „Die Nummer 1 in der Stadt!“