Es ist schon kurios. Der Sportclub Verl von 1924 e. V. (SC Verl) war weder Meister der Regionalliga West noch gewann er eins der beiden Aufstiegsspiele gegen den 1. FC Lokomotive Leipzig – und doch stieg der SC in die 3. Liga auf und sorgt als Neuling für Furore.

Der SC Verl war zum Zeitpunkt des coronabedingten Abbruchs der Saison 2019/20 Zweiter hinter dem SV Rödinghausen, der jedoch keinen Zulassungsantrag für die 3. Liga gestellt hatte. Die beiden Aufstiegsspiele gegen die Loksche endeten 2:2 und 1:1, der SC stieg aufgrund der Auswärtstorregel auf. Wegen des Corona-Ausbruchs bei der Firma Tönnies in Rheda-Wiedenbrück mussten die Verler ihr Heimspiel in der Bielefelder SchücoArena austragen. Als Favorit war der Klub aus der 25.000-Einwohner-Stadt zwischen Bielefeld und Paderborn auch nicht in die Regionalliga West gestartet. Doch als Rot-Weiss Essen begann zu schwächeln, schlug Verl zu. Der SC Verl ist in Ostwestfalen im Kreis Gütersloh beheimatet, die Vereinsfarben sind Schwarz und Weiß. Zu seinen größten Erfolgen zählen neben dem Aufstieg in die 3. Liga 2020 die Meisterschaften in der Oberliga Westfalen 1991 und 2007 sowie die Westfalenpokalsiege 1992, 1999 und 2007. Im Jahr 1991 nahm der SC Verl an der Aufstiegsrunde zur 2. Bundesliga teil. Der Verein trägt seine Heimspiele in der Verler Sportclub Arena aus. Da diese grundsätzlich nicht drittligatauglich ist, muss der SC Verl, bei Flutlichtspielen und wenn uneingeschränkt Zuschauer zugelassen sind, in die Paderborner Benteler-Arena ausweichen. Bekanntester ehemaliger Spieler ist der Ex-Nationalspieler Arne Friedrich, der in der Saison 1999/2000 für den SC Verl spielte. Bekannte Ex-Trainer sind Dieter Hecking (trainierte später die Bundesligisten 1. FC Nürnberg, VfL Wolfsburg und Borussia Mönchengladbach), Bernhard Dietz (spielte 53-mal für die Deutsche Nationalmannschaft und war Kapitän der Europameistermannschaft von 1980) und Dieter Brei. Der Aufstieg in die 3. Liga gelang unter Trainer Guerino Capretti. Zur Saison 1994/95 führte der DFB als dritte Spielklasse die Regionalliga ein, wofür der SC Verl sich qualifizierte. Im Sommer 2012 wurden die Regionalligen in Deutschland neu organisiert und aus der drei- wurde eine fünfgleisige Liga. Der SC Verl konnte sich für die neugeschaffene 3. Liga nicht qualifizieren. Die Verler blieben in der Regionalliga. Während der Saison 2016/17 gerieten sie in Abstiegsgefahr. Andreas Golombeck (später SF Lotte) wurde im April 2017 als Trainer freigestellt und durch Guerino Capretti ersetzt, der zuvor als Spielertrainer beim Delbrücker SC wirkte. In den folgenden Jahren arbeiteten sich die Verler langsam nach oben. Im DFB-Pokal 2019/20 avancierte der SC Verl zur Überraschungsmannschaft. Zunächst gewann die Mannschaft in Runde eins gegen den FC Augsburg mit 2:1, ehe sich der SC in Runde zwei mit 8:7 im Elfmeterschießen (1:1 n. V.) gegen Holstein Kiel durchsetzte. Zum ersten Mal qualifizierten sich die Verler für das Pokal-Achtelfinale, welches gegen den 1. FC Union Berlin durch ein spätes Gegentor 0:1 verloren ging.

Nun ist das Ziel der Mannschaft um Trainer Guerino Capretti, die 3. Liga mit attraktivem Fußball aufzumischen und die Klasse zu halten. Die Euphorie ist groß, die Mannschaft eng zusammengewachsen. Eine wichtige Grundvoraussetzung für das Abenteuer in der neuen Liga. Die Leistungsträger in der Offensive sollen Verl auch eine Klasse höher zu Toren verhelfen. Aygün Yildirim, Patrick Schikowski und der erfahrene Zlatko Janjic als Zweiter der ewigen Drittliga-Torjägerliste bringen ordentlich Qualität mit. Auch Justin Eilers hat sich dem SC Verl angeschlossen, will hier neu durchstarten.

Trainer Guerino Capretti, dessen Leistungen auch anderswo aufmerksam verfolgt werden, gilt als großes Talent, der die Sprache seiner Spieler spricht. Zur Wundertüte wird das Mittelfeld. In Ron Schallenberg und Jan Schöppner haben zwei „Fädenzieher“ zwischen den Strafräumen die Verler verlassen. Nachgerückt sind einige junge Spieler, auf denen im 4/3/3-System die Verantwortung lastet. Statt großer Namen ist die für einen Aufsteiger typische Eingeschworenheit der primäre Verler Vorteil. Aber die Ostwestfalen wollen auch mit attraktivem und mutigem Fußball überzeugen und so den wohl kleinsten Etat der Liga wettmachen. Die Außenseiterrolle werden sie dadurch nicht los, das will der Verein auch gar nicht.

Der Start in die Saison geriet für den SC Verl insgesamt stark, er weilt in der oberen Tabellenhälfte. Nach Siegen gegen Magdeburg (3:1) und in Saarbrücken (2:1) folgten zuletzt nach zwei coronabedingten Spielausfällen ein 1:2 gegen den VfB Lübeck, ein 4:0 in Duisburg, ein 1:1 gegen 1860 München und ein 2:1 in Uerdingen. Der SC Verl rangiert auf Rang 7 und hat sogar noch zwei Nachholspiele in der Hinterhand. Das für Dienstag terminierte Heim-Nachholspiel gegen den FSV Zwickau fiel aufgrund positiver Coronatests beim FSV aus.

Der HFC und der SC Verl standen sich bislang einmal gegenüber, in der Deutschen Amateurmeisterschaft 1993. Der HFC als Vizemeister der Oberliga Nordost Staffel Mitte, der SC Verl als Vizemeister der Oberliga Westfalen, seinerzeit die dritte Liga im deutschen Fußball. Das Spiel endete 2:1 für den HFC. Das 1:0 erzielte hierbei Mario Nickeleit, heutiger Mannschaftsbetreuer des HFC. Das Finale gewann übrigens der SV Sandhausen gegen Werder Bremen Amateure.