Die Beziehung zwischen Verein und Fans hatte sich merklich abgekühlt. Findet Michael Bendix, ein langjähriger und treuer HFC-Anhänger. Doch die Gefühle sind wieder erwacht. Der Liebesbrief an die zurückliegende Saison ist bemerkenswert.

„Wir begegnen der Abnutzung und der schleichenden Gleichgültigkeit nicht selten in jeder menschlichen Liebes-Beziehung. Man lebt  aneinander vorbei, achtet sich kaum noch und fühlt sich durch den Alltag überrannt, man wird sich fremd. Wenn wir das nun auf den Fußballverein unseres Herzens übertragen wollen, also auf die Liebe auf und neben dem Fußballplatz, dann tritt mitunter über die Jahre ganz ähnliches zutage. Wir verlieren uns im Mittelmaß, die farblosen Auftritte auf dem Rasen stoßen uns (Fans) ab, Spieler kommen lieblos oder heimatlos daher und diese rot-weiße Emotionalität bekommt  nach und nach deutliche Risse, die nur schwerlich zu kitten sind. Es bedarf viel Aufwand, viel Einsatz und noch mehr Leidenschaft, diese Liebe wieder neu zum Leben zu erwecken, seine Kräfte neu zu bündeln und einfach nochmal von vorn anzufangen, auch wenn der Anfang der schwerste Teil der Bemühungen umeinander ist.

Nach vielen Jahren sportlichen Mittelmaßes, finanzieller Zittereinlagen und mancher negativer Begleiterscheinung abseits vom Fußball, stand nun diese Liebesbeziehung vor dem Aus, vor der Trennung. Wollte man so weitermachen wie bisher oder einen Neubeginn, eine andere Ausrichtung, einen neuen Umgang miteinander wagen. Der Verein sich mutig und richtig, startete mit vielen frischen Ideen und mit noch mehr Leidenschaft neu durch. Neue (Liebes)Impulse wurden gesetzt, frisches Saatgut auf dem Feld der Emotionen beim HFC ausgesät. Es keimten eine Menge neuer Triebe, die nunmehr aus dem Vereinsleben sprießten.

Ein neues Funktionsteam wurde bestellt, welche sofort mit neuem Zeitgeist, sportlicher Kompetenz und menschlicher Natürlichkeit das Vereinsgeschehen zum Sprudeln brachte. Mehr den Verein und seine Stadt samt seiner Menschen zusammenzubringen, besser hätte es ein Beziehungsratgeber nicht vorschlagen können. Jenen  Beziehungsratgeber sparte sich der HFC und setzte auf die Ideen und auf das Engagement seiner Mitarbeiter. Die Mannschaft wurde mit Bedacht zusammengestellt, die wirtschaftlichen Räder fingen an zu greifen und auch die rot-weiße Anhängerschar wollte da nicht hintenan stehen, ließ sich mit großem Schwung zu neuen Plänen hinreißen.

Eine erste Zusammenkunft auf dem Marktplatz zu Halle im Sommer 2018 wurde zu einem motivierenden und stimulierenden Impuls, der den Club durch die gesamte Spielzeit tragen sollte. Die ersten Wochen waren hart, die Mannschaft in großen Teilen neu und der Verein mit sich und seiner Neuausrichtung vollends beschäftigt. Unsicherheit und Sorge ob der Wettbewerbstauglichkeit trieben die Menschen rings um den Verein um. Die Mannschaft arbeitete unterdessen im Trainingslager an ihren Fähigkeiten und entwickelte  sich schnell zu einer Mannschaft, die diese Bezeichnung verdient und einem das Gefühl gab, es wächst was zusammen. So schlug der HFC in der Vorbereitung den Bundesligaaufsteiger aus Nürnberg in einer beeindruckenden Weise, was Großes für die Zukunft erhoffen ließ.

Aber wie das in jeder Beziehung nun mal ist, auf ein  zwischenzeitliches Hoch folgt auch mal ein Tief. Dieses erste Tief sollte gleich an den ersten beiden Spieltagen eintreffen. Zwei Niederlagen standen da auf der Habenseite, wobei zumindest die bittere Niederlage gegen Fortuna Köln schon mal Hoffnung machte. Hier sahen die Fans bereits einen neuen HFC, der durch eine klare  Spielidee und Kreativität auf dem Spielfeld eine neue Leidenschaft befeuerte. Schon am dritten Spieltag in Jena ließ der HFC dem Gegner keine Chance. Es folgte ein heißer August 2018, als unser Club fast jeden Gegner beherrschte und zu einer lange nicht erlebten Serie aufbrach. Auch das „Wie“ war entscheidend, denn das war mehr als überzeugend. Bald fand sich der HFC im oberen Tabellendrittel wieder und sorgte für neue Begehrlichkeiten. Die Anziehungskraft  zwischen Team und Anhängern stieg von Spieltag zu Spieltag.  Vertrauen und Liebe kam allmählich zurück in die Partnerschaft.  Wohlwissend, dass die Saison noch lang und steinig werden würde. Die Annäherung steigerte sich von Woche zu Woche, selbst Rückschläge wie Niederlagen wurden inzwischen in Kauf genommen und schmerzhaft geduldet. Ab Mitte Oktober sollte der HFC bis kurz vor Weihnachten kein Spiel mehr verlieren. Sportlich und wirtschaftlich lief es und auch die Fans brachten frische Ideen ins Spiel, so dass bis zum Saisonende drei Sonderzüge die Rot-Weißen über die Gleise zu ihren Auswärtsspielen rollen sollten. Wer hätte sich das jemals vorstellen können? Ein voller Erfolg, der hervorragend von der Anhängerschaft angenommen und mitgetragen wurde. Rot-Weiße Party im Sonderzug, auch so ein Beziehungstipp, wenn es mal nicht so läuft. Erster Höhepunkt sollte das Spiel bei 1860 München sein. Was für ein gigantisches Bild, als 1700 HFC-Fans den Gästeblock bevölkerten. In München wurde zusammen in Unterzahl ein Punkt erkämpft. Der Zusammenhalt war selten so zu spüren wie an jenem Tag in Giesing. Vielleicht einer der wichtigsten Tage der gesamten  Saison. Durch dieses nervenaufreibende Spiel in München stieg die Lust auf Nähe und Geborgenheit noch mehr. Die neuen Kleider im Verein passten wie angegossen, auch wenn es durchaus einige mediale und betriebliche Störmanöver im Verlauf der Spielzeit gab.

Die Hinrunde weckte eindeutig Begehrlichkeiten und machte Lust auf Mehr. Dass das auch messbar war, sah die Öffentlichkeit auch an den steigenden Zuschauerzahlen. Zum Schluss der Saison sollte der Schnitt um etwa 1700 Menschen pro Spiel im Vergleich zum Vorjahr steigen. Die Drang nach körperlicher Anwesenheit im Stadion war wieder eindeutig da. Verein und Fans hatten sich wieder lieb, da sollten selbst bittere Niederlagen gegen Spitzenteams wie Karlsruhe und Wiesbaden nichts mehr daran ändern. Alle hatten wieder richtig Bock aufeinander, wollten wieder zusammenspielen und den Weg gemeinsam gehen. Im Trainingslager in der Türkei wurden weiter die Weichen für eine erfolgreiche Rückrunde gestellt. Fans und Mannschaft an einem Tisch und wenn es sein musste, wedelten selbst die Spieler den Fans in der Sauna den Aufguss um die Nase. Selten waren sich Team und Fans so nah. Das schweißte im wahrsten Sinne des Gedankens weiter zusammen. Die Rückrunde begann bei Fortuna Köln mit einem Höhepunkt der besonderen Sorte, Baxter Bahn versetzte mit einem fast zum Tor des Monats gekrönten Schuss die Masse kurz vor Schluss in Ektase. Endgültig war der Schmerz der letzten Jahre von der rot-weißen Seele gewichen.

Man fühlte wieder einander, besonders wurde das klar, als zur Mitgliederversammlung ein neues Präsidium gewählt wurde. Emotionaler Höhepunkt an jenem tristen Februartag, als beim Abspielen der Tore aus der Hinrunde die Mannschaft den Saal betrat und die anwesenden Mitglieder sich geschlossen erhoben und das Team mit einem donnerten Applaus begrüßte. Man hatte sich lieb. Ein paar neue „Familienoberhäupter“ wurden ziemlich einstimmig gewählt und zur Tagesordnung übergegangen. Das weckte weitere Begehrlichkeiten, so dass über 2000 HFC-Fans eine Woche später den Weg nach Kaiserlautern auf sich nahmen. Eine Wertschätzung, die in Worten kaum zu schildern geht. Der Fantasie „Aufstieg“ waren kaum noch Grenzen gesetzt, auch wenn einige Liebesdämpfer in den folgenden Wochen wie in Osnabrück oder zu Hause gegen Cottbus folgen sollten. Die Triebkraft der Hoffnung bekam zwar einige Dellen, nicht zuletzt auch durch die ernüchternde Niederlage gegen den direkten Konkurrenten Wiesbaden. Aber alles schien nun so gefestigt, dass selbst sportliche Rückschläge dem Verein nichts mehr anhaben konnte. Mannschaft und Fans bildeten eine Einheit, kein Blatt passte dazwischen – ergebnisunabhängig. Zum Schlussspurt der Saison besann man sich auf seine Fähigkeiten im Liebespiel und schwor sich mit Siegen gegen Würzburg, Meppen und 1860 wieder auf die letzte Chance ein. Ausgerechnet im Heimspiel gegen Münster wurde der Druck scheinbar zu groß, so dass der sportliche und emotionale Tiefpunkt der Saison mit einer Niederlage zu betrauern war.

Da war er kurz, der tiefe Schmerz. Die Faszination Aufstieg verflog. Wie wir alle immer wieder feststellen: In jeder guten Beziehung sind Partner für einen da, auch wenn es mal nicht so gut läuft. Hier merkten wir schnell die neue Qualität der Beziehung. Keiner nahm einem etwas übel oder war lange enttäuscht. Man richtete sich gegenseitig auf und besann sich darauf, die beiden letzten Spiele gegen Braunschweig und in Karlsruhe versöhnlich und siegreich zu gestalten.

Über 2000 Rot-Weiße hatten sich zum Saisonabschluss im Wildpark der Partnerstadt von Halle eingefunden und feierten zusammen mit der Mannschaft ein Riesensause. Auch wenn es nicht zum Aufstieg in die 2. Bundesliga reichte, so hat die Spielzeit 2018/2019 durchaus viele positive Spuren hinterlassen, worauf es weiter aufzubauen gilt. Angst und Bange braucht einem nicht mehr zu sein. Ganz im Gegenteil, wir blicken zuversichtlich und hoffnungsfroh auf die kommenden Herausforderungen und freuen uns schon jetzt auf die neue Saison. Ein Umstand, der über die letzten Jahre in dieser Liebesbeziehung mitunter vermisst wurde. Bleibt mir nur Danke zu sagen an alle, die an diesem Liebesbrief aktiv mitgewirkt haben. Ob Trainer samt Team, sportliche Leitung, Mitarbeiter im Verein und neben dem Club, alle Leute in Verantwortung für die rot-weiße Sache und die Fangemeinde. An ausnahmslos Alle, die dem Halleschen FC diese neue Liebe eingehaucht haben.

HFC – Wir lieben dich! Und: Alte Liebe rostet nicht. Der HFC ist der lebende Beweis.“

Michael Bendix